Demo „Kein Mensch ist illegal“

Am Samstag den 21.12.2024 sind wir mit einem Demonstrationszug, bestehend unter anderem aus der Afrikanischen Diaspora, den Omas gegen Rechts und vielen einzelnen Teilnehmer:Innen, nach einer Kundgebung auf dem Liesel-Aussen-Platz durch Leer gezogen und haben auf Ungerechtigkeiten im Asylsystem aufmerksam gemacht.

Wir haben uns wirklich unglaublich darüber gefreut, dass knapp 200 Menschen unserem Aufruf gefolgt sind, um gemeinsam mit uns ein Zeichen gegen Rassismus und für mehr Solidarität mit Geflüchteten zu setzen

Die Allermeisten können sich nicht vorstellen, unter welchem Druck Asylsuchende stehen, welchem enormen Stress sie ausgesetzt sind. Dieser Stress wird nicht nur durch die ungewisse Zukunft ausgelöst, sondern auch durch die Angst, aus heiterem Himmel und unwillkürlich die hier aufgebaute Existenz wieder zu verlieren. Aus persönlichen Gesprächen im eigenen Umfeld wissen wir, dass wirklich niemand den Terror nachvollziehen kann, den diese Menschen hier in Deutschland erleben.

Nicht selten werden Abschiebungen überraschend und ohne Ankündigung durchgeführt, ohne Rücksicht auf einzelne Schicksale oder die psychische Verfassung von Kindern. Wir kennen Berichte aus erster Hand, bei denen Menschen zu einem normalen Termin mit gutem Gefühl die Ausländerbehörde betreten, diese aber völlig unvorbereitet, wie Gefangene in Richtung Flughafen wieder verlassen, wieder einer ungewissen Zukunft entgegen. Berichte, nach denen ein arbeitender Familienvater nach der Arbeit nach Hause kommt und Frau und Kinder sind nicht mehr da. Wir, ein zivilisiertes und reiches Land, verursachen diesen Terror!

Aber es geht bei weitem nicht nur um diese Ängste, auch der immer stärker werdende Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft sorgt für Angst. Rechter Populismus sorgt für eine immer aggressivere Stimmung allen Fremden gegenüber, sorgt im Alltag für Anfeindungen verbaler und physischer Form.

Hintergrund

Das Chancen-Aufenthaltsrecht, das seit 2022 besteht, bietet Menschen, die bereits lange in Deutschland leben, eine Perspektive auf eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören Arbeit, eine eigene Wohnung, Straffreiheit, Sprachkenntnisse und der Nachweis der Identität durch einen gültigen Reisepass.

Der Nachweis der Identität mit einem Reisepass wird zur Hürde, da die vorgeschriebene Aushändigung des Reisepasses Abschiebungen erleichtert. Dies setzt Betroffene unter enormen psychischen Druck.

Das Vorgehen der Ausländerbehörde im Landkreis Leer wird von Antragsteller*innen nun immer häufiger wie folgt beschrieben:

  • Sie werden von der Behörde kontaktiert und dabei wird ihnen zunächst signalisiert, dass sie alle Vorgaben für eine reguläre Aufenthaltserlaubnis erfüllt hätten. Sie erhalten dann einen Termin, zu dem sie bei der Ausländerbehörde erscheinen sollen.
  • So hoffnungsvoll gestimmt und im Glauben daran, nun ein “offizielles Dokument” mit dem Aufenthaltstitel ausgehändigt zu bekommen (was in der Flüchtlings-Community häufig als ‘größter Wunsch’ genannt wird) erscheinen sie dann (ohne Anwalt oder Begleitung) zum Termin beim Zuständigen ihrer Behörde.
  • Stattdessen werden sie plötzlich mündlich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (Grundgesetz) befragt.
  • Eine solche Befragung durch die Ausländerbehörde ist nicht im Gesetz vorgesehen. Werden diese teils sehr komplexen Fragen nicht beantwortet oder falsch beantwortet, erhalten die Betroffenen zwei bis drei Wochen nach den Befragungen einen Ablehnungsbescheid.
  • Darin werden sie dazu aufgefordert, Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen, mit dem Hinweis, dass mit dem Ablehnungsbescheid auch sämtliche Leistungen Ansprüche entfallen.
  • Nach den 30 Tagen müssen Betroffene dann jederzeit mit der Abschiebung durch die Behörden rechnen.

Auch der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. hat bereits diese Praxis scharf kritisiert.

Die Ausländerbehörde Leer führt also unangekündigte Befragungen durch, um zu überprüfen, ob die Betroffenen die demokratische Grundordnung verstehen. Diese Befragungen sind gesetzlich nicht vorgesehen und finden in einer angsterfüllten Atmosphäre statt, was oft zu falschen Einschätzungen führt.

Obwohl alle Voraussetzungen erfüllt sind, verweigert die Behörde durch Ermessensentscheidungen häufig die Aufenthaltstitel. Dies steht im Widerspruch zu den Anwendungshinweisen des Landes Niedersachsen.

Die Praxis der Behörde erzeugt Angst, Hoffnungslosigkeit und verhindert die Integration von Menschen, die bereits einen Beitrag zur Gesellschaft leisten.

Verlauf

Mit dem friedlichen Verlauf der Kundgebung und der Demonstration sind wir sehr zufrieden. Sehr schön zu sehen war, dass einige Passanten in Autos, Bussen und auf den Gehwegen Zustimmung signalisiert haben. Die negativen Stimmen sind immer sehr laut und aggressiv, weshalb diese positive Verstärkung auf der Straße sehr gut tut. Natürlich gab es auch andere Begegnungen, die aber sehr ruhig verlaufen sind. Es ist interessant zu sehen, dass Menschen mit rechter Gesinnung häufig nur in großen Gruppen oder der anonymität des Internets mutig sind.



Reden

Eine der Reden thematisierte u.a. die jüngst eingeführten flächendeckenden Grenzkontrollen, bei denen Hautfarbe oft das entscheidende Kriterium ist. Dies ist ein klarer Ausdruck von Racial Profiling und steht im Widerspruch zu den grundlegenden Werten einer offenen Gesellschaft. Es wurde betont, dass Solidarität keine Bedingungen haben darf und die Spaltung von Menschen in „nützlich“ und „nicht nützlich“ als Werkzeug des Klassenkampfs von oben erkannt werden muss.Es sind nicht die Reichen, sondern die Arbeiter:innen, die Armen und Unterdrückten, die vor Krieg und Armut fliehen müssen – unsere Klasse! 🖤❤️



Anschlag in Magdeburg

Mit Schrecken erreichte uns am Abend vor der Demo die Nachricht des Anschlages auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Mit nur sehr wenigen Infos war es uns aber trotzdem sehr klar, dass dieses schreckliche Ereignis von Rechten ungeniert instrumentalisiert werden würde. In den Kommentarspalten der späteren Berichterstattung der Presse über unsere Demo haben wir das sehr hart zu spüren bekommen. Die immer noch anhaltende Betroffenheit wegen des Anschlages und die unglaubliche Sturheit der Menschen, die noch mehr als sonst mit menschenverachtenden und Rassistischen Parolen um sich geschmissen haben, macht einen sprachlos. Menschen sterben und sofort blüht der Rassismus auf, ungeachtet der mehr und mehr bekanntgewordenen Fakten, die einen von Rechten nahegelegten Zusammenhang widerlegen.

Wir wollen hier das ganz klare Statement geben: Was in Magdeburg geschehen ist, ist schrecklich und unser Mitgefühl gilt den Betroffenen und Hinterbliebenen.

Diesen Anschlag aber aufgrund der Hautfarbe des Attentäters rassistisch auszuschlachten zeugt nur von der niederen Gesinnung am rechten Rand. Die Herkunft oder die Hautfarbe des Täters spielt gar keine Rolle. Aufgrund dieser Tat alle Menschen mit ähnlicher Hautfarbe oder gleicher Herkunft in Sippenhaft zu nehmen ist nicht nur falsch, es führt uns auch weiter in die Richtung des Faschismus. Ausgrenzung, Spaltung, Angst und Schrecken. Lassen wir das nicht zu!



Wir möchten uns bei euch allen für eure Unterstützung bedanken! Erst durch eure Stimmen auf der Straße werden unsere antifaschistischen Proteste laut und sichtbar um den Nazis das Leben schwer machen.

Der Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung geht weiter, für eine gerechtere, solidarische Gesellschaft einsetzen Wir wünschen euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Siamo Tutti Antifascisti!✊️